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Hausboot-Tour auf der Mecklenburgischen Seenplatte: Mit Finchen auf großer Fahrt

Finchen zickt rum. Sie macht, was sie will, ist bockig, reagiert einfach nicht, wie sie soll. Geht ja gut los. Ganz schön launisch, die Dame. Dabei liegt es gar nicht an ihr. Es mangelt einfach an Routine im Umgang mit dieser Art von Frauen. Immerhin ist sie 15 Tonnen schwer – und ein Hausboot. Die vier Leichtmatrosen an Bord haben beim Ablegen vom Hafendorf Müritz arg zu kämpfen. Finchen tuckert aus ihrer Parklücke am Anleger. Links Boote, rechts Boote, gegenüber Boote. Ganz schön eng – und der aufkommende Wind tut sein Übriges. Uns fehlt das Gefühl für das Ruder und prompt keilt sich Finchen am Steg gegenüber zwischen zwei Yachten ein. Quer. Aber das immerhin auf den Zentimeter genau. „Ich brauch‘ mal ’ne Pause“, sagt Finchens Kapitän, gerade erst in diese Rolle geschlüpft. Nach drei Minuten?

Eine von Finchens Schwestern. Foto: kuhnle-tours.de

Eine von Finchens Schwestern. Foto: kuhnle-tours.de

Dem Publikum im Hafen der Kuhnle-Werft huscht ein Lächeln über die Gesichter. Aber keine schnippische Bemerkung. Solidarität unter Wassersportlern eben. „Mehr Bugstrahlruder“, ruft Siegfried, der zuvor noch unsere Einweisungsfahrt beaufsichtigt hatte. Durchatmen. Und im zweiten Anlauf klappt alles reibungslos.

Ein Abenteuer, für das kein Führerschein nötig ist

Die Tour auf der Mecklenburgischen Seenplatte beginnt. Ein Abenteuer, das auch Landratten ohne Führerschein wagen dürfen. Nach einer theoretischen und praktischen Einweisung erhält man eine Charterbescheinigung für die Zeit des Törns – und es kann losgehen. „Ihr wollt nach Norden über die Müritz?“, hatte Siegfried auf der Probefahrt gefragt. „Dann müsst ihr euch beim Hafenmeister ab- und nach eurer Ankunft am Zielhafen wieder anmelden. Wind und Wetter können im Nu ungemütlich werden. Außerdem besteht ohne Führerschein Schwimmwestenpflicht.“ Deutschlands zweitgrößter See nach dem Bodensee sei kein Kinderspiel. Aha. Vielleicht für den Anfang doch zu viel Nervenkitzel. Nicht umsonst ist der Name „Müritz“ eine Abwandlung des slawischen Begriffs für „Meer“.

Hausboot-Urlaub ist Entspannung pur. Foto: kuhnle-tours.de

Hausboot-Urlaub ist Entspannung pur. Foto: kuhnle-tours.de

Also nach Süden. Ein Backbordschwenk durch die Müritz, dann in beschaulichere Gewässer. Durch die Kleine Müritz und den Müritzarm in den Müritzsee: Das Ziel heißt: Buchholz. Langsam macht sich ein Gefühl von Freiheit breit, ohrenbetäubende Ruhe, untermalt nur vom Wellenschlag, dem Tuckern des Motors und den Lauten der Wasservögel. Sonne und Wind gerben das Gesicht. Mit knapp zehn Kilometern pro Stunde ziehen die baumbestandenen Ufer vorbei, das Schilf biegt sich sanft. Eine wohltuende Langsamkeit.

Das Anlegen klappt

Das Anlegen an der Marina in Buchholz klappt, als hätte die Crew nie etwas anderes getan. Siegfrieds Credo macht sich bezahlt: „Manöver vorher genau besprechen und dabei eindeutige Anweisungen geben.“ Zur Belohnung gibt es frischen Zander im Gasthof „Zu den drei Linden“ inklusive Zeitreise in die 1920er Jahre, später noch einen dramatischen Sonnenuntergang in Rosaviolett.

An der Mecklenburgischen Seenplatte warten traumhafte Landschaften. Foto: kuhnle-tours.de

An der Mecklenburgischen Seenplatte warten traumhafte Landschaften. Foto: kuhnle-tours.de

Am nächsten Morgen ein kurzer Plausch mit dem Nachbarn – er fährt ein Boot der Reichsküstenwache von 1939. Dann heißt es: Leinen los. Zurück bis in die Kleine Müritz und weiter in den Mirower Kanal. Es wird enger, die Bäume hängen vom Ufer ins Wasser. „Fast wie im Amazonas“, schießt es durch den Kopf.

Die erste Schleuse

Mittags wartet dann die nächste Herausforderung: die Schleuse Mirow. Wieder ein neues Manöver. Was hat Siegfried noch gleich gesagt? Bloß nicht an den Schleusenwänden festmachen, nur locker die Leine nach oben oder unten mitführen. „Das Bügeleisen auch“, scheppert der Schleusenwärter von seinem Turm aus dem Lautsprecher. Heißt: Finchen darf noch mit. Auch dieses Manöver gelingt. Solch ein Törn ist zwar ein Abenteuer, aber auch ohne Erfahrung gut zu meistern.

Hausboot-Gruß! Foto: kuhnle-tours.de

Hausboot-Gruß! Foto: kuhnle-tours.de

Danach ankern wir im Zotzensee und nutzen die Badeplattform an Finchens Heck für eine Erfrischung im kühlen mecklenburgischen Seewasser. Es geht weiter in den Mössensee und dann zurück, einen Übernachtungsplatz suchen. 72 Stunden sind nicht lang für solch einen Trip.

Doch der Tag klingt nicht einfach so aus. Finchen tuckert unaufgeregt vor sich hin, aber plötzlich fehlt der Vorwärtsschub. Der Motor läuft weiter, macht aber keine Fahrt mehr. Ungläubige Blicke. Hier ankern? Keine gute Idee. Der Mössensee ist recht schmal, 200 Meter noch bis er sich in den breiten Zotzensee öffnet. Finchen treibt gerade noch hinein, der Anker fällt.

Manövrierunfähigkeit

Die rote Flagge markiert die Manövrierunfähigkeit. Foto: kuhnle-tours.de

Die rote Flagge markiert die Manövrierunfähigkeit. Foto: kuhnle-tours.de

Es ist kurz nach 17 Uhr, Anruf beim Vermieter. „Das kann kein großes Ding sein. Aber heute schaffe ich es wegen des Nachtfahrverbots nicht mehr zu euch“, erklärt ein freundlicher Techniker. Der Kapitän lässt die rote Flagge hissen. Manövrierunfähigkeit.

Eine Nacht vor Anker – auch kein Problem. Die Vorräte sind gefüllt, Finchen ist mit einer Pantry – so nennt sich die Küche – und zwei Nasszellen komfortabel ausgestattet. Spannend ist es trotzdem. Stündliche Nachtwachen kontrollieren, ob der Anker hält. Allein der Blick auf den sternenklaren Himmel belohnt für das Aufstehen. Wann sieht man schon mal so deutlich die Milchstraße?

Ende gut, alles gut

Rückkehr ins Hafendorf-Müritz Foto: kuhnle-tours.de

Rückkehr ins Hafendorf-Müritz Foto: kuhnle-tours.de

Am nächsten Morgen macht der Techniker um 7.30 Uhr an unserem Boot fest. Der Schaden ist schnell behoben. „Es war eine abgenutzte Getriebescheibe. Passiert, wenn man am Schubhebel vom Vorwärts- in den Rückwärtsgang durchreißt, ohne im Leerlauf zu stoppen.“ Wenn das 99 Gäste nicht beherzigten, erwische es dann leider den 100. Pech gehabt. Aber egal: Kaum Zeit verloren, Top-Service und für zu Hause etwas zu erzählen.

Die letzte Zeit verbringen wir im Mirower See und in der Kleinen Müritz. Finchen ist uns mittlerweile richtig ans Herz gewachsen. Zickig ist sie schon lange nicht mehr.

Informationen:

Anreise: Das Hafendorf Müritz – Heimathafen von „Finchen“ – liegt etwa 150 Kilometer nördlich von Berlin. Adresse: Hafendorf Müritz, 17248 Rechlin (Müritz).

Restaurant-Tipp: Gasthaus “Drei Linden”, Chausseestraße 104, 14547 Buchholz bei Beelitz, gasthaus-drei-linden.regional.de, a-heese@t-online.de, 033204/33146. Buchholz ist per Hausboot zu erreichen, Übernachtung möglich. Gasthaus liegt nicht direkt am Wasser. Unbedingt den frischen Zander probieren.

Hausboot-Tour: Die Mecklenburgische Seenplatte mit der Müritz ist ein ideales Revier für Hausboot-Einsteiger. Es wird kein Bootsführerschein benötigt, lediglich eine Einweisung zu Beginn des Törns – inklusive allen Infos zu den Themen Schleusen sowie An- und Ablegen. Ein Törn sollte mindestens drei Tage dauern, sinnvoller ist eine Woche. Der Anbieter Kuhnle Tours hat eine Vielzahl an Booten im Angebot: von klein und günstig für drei Personen ab 76 Euro Tagescharter pro Boot bis zu groß und exklusiv für bis zu zwölf Personen. Bei diesen Booten beginnt die Tagescharter bei 386.

Buchungstipp: Finchen ist ein Boot vom Typ Kormoran 1140 mit acht Betten, zwei Badezimmern und eine voll ausgestatteten Pantry (Küche). Der Wochenpreis beginnt bei 1519 Euro, in der Hauptsaison beträgt er 2926 Euro. Kuhnle Tours, Hafendorf Müritz, 17248 Rechlin (Müritz), Telefon: (0)39823-266-0, www.kuhnle-tours.de, info@kuhnle-tours.de.

Literatur-Tipp: Hafenführer für Hausboote: Müritz, Havel, Seenplatte – Die schönsten Häfen und Liegeplätze, Robert Tremmel, SD Media Servives, 29,90 €.

Info-Tipp: Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, (0)381 40 30-500 www.auf-nach-mv.de, info@auf-nach-mv.de.

Raushier-Reisemagazin

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