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Ngorongoro-Krater: Auf Großbildjagd in Grzimeks Paradies

Der legendäre Professor Grzimek beschrieb ihn als Paradies auf Erden – und hat damit nicht übertrieben. Der Ngorongoro-Krater in Tansania ist die Heimat von bis zu 30.000 Wildtieren. Eine Safari in diesem eingebrochenen Vulkan ist ein einmaliges Erlebnis, besonders für Freunde der Fotografie.

Blick in den Ngorongoro: Paradies auf Erden für Grzimek, nicht nur für ihn. Foto: Kathrin Schierl

Blick in den Ngorongoro: Paradies auf Erden für Grzimek, nicht nur für ihn. Foto: Kathrin Schierl

Noch am Morgen liegt die dunstige Luft der Nacht wie ein Schleier im Ngorongoro. Der Tag beginnt am Kraterrand, auf 2.300 Metern. Von dort preschen zwei Jeeps eine steile Waschbrettpiste hinab. Kurz vor 7, niemand sonst unterwegs. „Wir wollen die Ersten bei den Tieren sein“, hatte Studiosus-Reiseleiterin Sonja Brinckmann am Vorabend erklärt. Die rote Erde ist feucht, und es ist kühl, viel kühler als eine Safari in Afrika erwarten lässt. Doch die Neugier lässt nicht ruhig sitzen. Safari heißt stehen, auch während der Fahrt. Den Hals durch das offene Ausstelldach des Fahrzeugs gereckt, der Kopf wippt im Rhythmus der Kurven. Einem Sprühnebel gleich, treibt der Fahrtwind Tautropfen von der Motorhaube ins Gesicht. Die Müdigkeit weicht schnell.

Hinab in den Krater. Foto: Kathrin Schierl

Hinab in den Krater. Foto: Kathrin Schierl

Die Fahrt führt 700 Höhenmeter bergab, auf den Grund des Ngorongoro-Kraters, eines eingebrochenen Vulkans im Norden Tansanias. An den Hängen wachsen Schirmakazien dicht an dicht, überwuchert von uralten Flechten, die wie Spinnweben in einem vergessenen Kellerabgang hängen. Die flachen, ausladenden Baumkronen verschlingen sich ineinander und bilden über die Straße hinweg einen Tunnel. In der gedämpften Morgenstunde wirkt der Weg hinunter wie die Einfahrt in eine grüne Hölle – und ist doch das Eingangstor in ein Paradies.

Nicht nur für Grzimek ein Wunder

Das schlichte Grabmal von Bernhard Grzimek und seinem Sohn Michael am Kraterrand. Foto: Kathrin Schierl

Das schlichte Grabmal von Bernhard Grzimek und seinem Sohn Michael am Kraterrand. Foto: Kathrin Schierl

„Es ist unmöglich, in Worten die Größe und Schönheit des Kraters wiederzugeben. Er ist eines der Weltwunder“, sagte der Mann, der sein Leben in den Dienst der wilden Tiere Afrikas gestellt hat: der legendäre und sonst selten um Formulierungen verlegene Zoologe Professor Grzimek. Neben seinem Sohn Michael, der 1959 bei einem Flugzeugabsturz in der nahen Serengeti ums Leben kam, liegt er unter einer schlichten Steinpyramide am Kraterrand begraben.

Der Ngorongoro ist ein riesiger Zoo – nur ohne Mauern, ohne Gehege. Der Krater, präziser eine Caldera, dabei die größte nicht mit Wasser gefüllte der Welt, hat einen Durchmesser von gut 20 Kilometern. Je nach Jahreszeit leben hier bis zu 30.000 Wildtiere. „Wir haben im Krater die höchste Raubtierdichte Afrikas. Mal sehen, was uns gleich begegnet“, schürt Brinckmann vom Beifahrersitz die Neugier.

Kiswahili aus dem Funk

Tiere über Tiere - rund 30.000 werden im Krater vermutet. Fotos: Kathrin Schierl

Tiere über Tiere – rund 30.000 werden im Krater vermutet. Fotos: Kathrin Schierl

Und tatsächlich. Kaum laufen die steilen Kraterwände in sanften Wellen aus, kaum liegt der Akazienwald hinter beiden Fahrzeugen, stellt Edwin den Motor aus. Er lenkt einen der Jeeps. Wieder einmal – die Gruppe war zuvor bereits vier Tage in der Serengeti unterwegs – hat er den besten Blick. Niemand spricht, die Vorfreude lässt alle schweigen. Nur aus dem Funkgerät wummern fremde Laute. Kiswahili, die Amtssprache Tansanias und Lingua franca Ostafrikas.

Und dann schiebt sich von links eine buschige Mähne über die Kuppe, langsam und gemächlich. Ein Löwe! Seine Schulterblätter zeichnen sich beim Gehen deutlich ab, auch die Rippen. Er sieht alt aus, einsam, König der Tiere a. D. Völlig unbeeindruckt zieht er seines Weges. Er kreuzt die Straße und presst ein heiseres Brüllen hervor, vielleicht 20 Meter vom Jeep entfernt. „Diese Laute sind noch in acht Kilometern zu hören. Bestimmt kommuniziert er mit einem anderen Löwen“, weiß Edwin. Er und sein Kollege Maulidi, der die schöne Gabe hat, mit dem ganzen Körper zu lachen, bereichern die Pirschfahrten mit großem Wissen über Flora und Fauna. Der Löwe verschwindet, Edwin fährt weiter.

König der Tiere a. D. Ein einsamer Löwe lässt sich von den Safari-Touristen nicht beeindrucken und quert die Straße. Foto: Kathrin Schierl

König der Tiere a. D. Ein einsamer Löwe lässt sich von den Safari-Touristen nicht beeindrucken und quert die Straße. Foto: Kathrin Schierl

Grün und saftig oder trocken und karg

Der Kraterboden öffnet sich in einer weiten Ebene. Es ist grün, saftig, voller Leben. „Es kann aber auch trocken und karg sein – je nach Jahreszeit“, erklärt Brinckmann. Trotzdem leben unzählige Tiere dauerhaft im Krater. Und spätestens nachdem die letzte Bodenwelle einen unverstellten Blick freigibt, weiß die Reisegruppe, wovon Grzimek sprach. Nicht einzelne Tiere, auch nicht eine oder zwei Herden: ein buntes, lebendiges Wirrwarr. Die frische Höhenluft vermischt sich mit dem Duft wilder Tiere.

Maulidi (links) und Edwin lenken die Jeeps als sogenannte Driver-Guides und bereichern die Pirschfahrten mit ihrem großen Wissen. Foto: Kathrin Schierl

Maulidi (links) und Edwin lenken die Jeeps als sogenannte Driver-Guides und bereichern die Pirschfahrten mit ihrem großen Wissen. Foto: Kathrin Schierl

Gnus ziehen im Gänsemarsch von rechts nach links. Zebras von links nach rechts. Dazwischen zig wuchtige Wasserbüffel, ihre Hörner erinnern an einen streng gekämmten Mittelscheitel. Kuhantilopen, Thomson- und Grant-Gazellen, fünf oder sechs Elefantenbullen drängen zum Kraterfluss. Und direkt vor dem Jeep geht ein Warzenschwein in die Knie. Nur so kommt es mit seinem kurzen Nacken an das niedrige Gras.

Alles außer Giraffen

Flamingos am Lake Magadi, Gnus von links, Zebras von rechts. Foto: Kathrin Schierl

Flamingos am Lake Magadi, Gnus von links, Zebras von rechts. Foto: Kathrin Schierl

Soweit man blicken kann, lässt sich kein gedachter Kreis mit mehr als 30 Metern Durchmesser ziehen, in dem nicht ein Tier zu sehen ist. „Nur Giraffen gibt es keine. Im Kratergrund wachsen nur wenige Akazien, die sie gerne fressen“, sagt Edwin und weist auf den Lake Magadi, einige Kilometer entfernt. Über dem Salzsee flirrt die Luft. Und das in Pink – der langsam aufkommenden Hitze und tausender Flamingos wegen. Parallel zum Kraterrand wirbelt eine rote Windhose.

„Sherubu, Sherubu“

Man kann sich kaum sattsehen. Fotos: Kathrin Schierl

Man kann sich kaum sattsehen. Fotos: Kathrin Schierl

Aus Safaritouristen werden Großbildjäger, lohnende Motive gibt es zuhauf. Fast übersteigt die Auswahl die für den Zeigefinger mögliche Frequenz am Auslöser. Die Reiseleiterin kommt ins Erzählen: Unterwegs In Tansania sehe man immer wieder Tiere, die laut Literatur genau an diesem Ort gar nicht sein dürften. An diesem einen Tag seien sie aber hier – einfach so, nicht zu erklären. „Das ist die Natur, das ist Afrika. Man möchte immer alles in Schubladen packen. Das funktioniert nicht – hier schon gleich gar nicht“, sagt die Hamburgerin, die teils in Tansania lebt. In jedem ihrer Sätze, ob nun über Tiere, das Land oder die Menschen, schwingt ihre große Liebe zu Afrika mit.

Und nur ein paar Minuten später geschieht auch im Ngorongoro etwas nicht Alltägliches. „Sherubu, Sherubu“, krächzt es aus dem Funk. Das Codewort für „Löwe“. Die Fahrer verwenden für jedes Tier chiffrierte Begriffe, die nur sie verstehen. Das verhindert allzu große Vorfreude bei den Gästen, die schnell in Enttäuschung umschlägt, falls der Jeep zu spät käme.

Hungrige Löwen im Hintergrund. Foto: Kathrin Schierl

Hungrige Löwen im Hintergrund. Foto: Kathrin Schierl

Edwin drückt auf die Tube. Fünf Minuten gespannte Fahrt. Was mag da kommen? Und wieder ist sein Timing perfekt. Ein Rudel Löwen, vier oder fünf Weibchen. Sie setzen an zur Jagd. Keine 200 Meter entfernt, ein Schauspiel, mit bloßem Auge mühelos zu verfolgen. Ihr Ziel ist eine Herde Büffel. Gefährlich, aber bei Löwen sehr beliebt. Sie pirschen durch das hohe Gras, versuchen ein Tier einzukesseln, schlagen los. Ein kurzer Sprint. Doch die Büffel sind wachsam, der Sicherheitsabstand genügt. Die massigen Paarhufer bringen sich im Galopp in Sicherheit, die Löwen brechen ab und trollen sich.

Aber dann passiert, was nicht zu erwarten war. Die Büffel sinnen auf Rache. Sie drehen um und walzen auf die Löwen zu, suchen ihnen jede neue Attacke auszutreiben. Jetzt flüchten die Könige der Tiere. „Wenn ein Löwe unter die Büffelhufe gerät, kann das böse enden“, weiß die Reiseleiterin.

Spannung zu greifen

Die Löwen lauern weiter. Die Büffel im Hintergrund sind mittlerweile außer Reichweite. Aber wie wäre es mit einem Zebra? Foto: Kathrin Schierl

Die Löwen lauern weiter. Die Büffel im Hintergrund sind mittlerweile außer Reichweite. Aber wie wäre es mit einem Zebra? Foto: Kathrin Schierl

Dann kehrt die Ruhe zurück. Aber nur augenscheinlich. In der Ebene liegt Spannung, fast mit Händen zu greifen. Die eigenen umklammern fest die Reling um die Dachöffnung des Jeeps. Die Büffel ziehen weiter, die Löwen legen sich hin. Nur ein Weibchen reckt den Kopf über die Grasnarbe und hält Wache. Eine Herde Zebras in der Nähe hat mitbekommen, dass die Löwen auf Beute aus sind. Sie bilden eine Wagenburg, ihre schwarzweiße Zeichnung leuchtet in der Nachmittagssonne.

Nur der Hyäne ist alles egal. Foto: Kathrin Schierl

Nur der Hyäne ist alles egal. Foto: Kathrin Schierl

Auch Gnus und Gazellen sind nicht weit. 20 Minuten vergehen, eine halbe Stunde. Immer wieder zucken Bewegungen durch die verschiedenen Lager. Dann wieder Stille. Die Menschen – längst sind zig Fahrzeuge im Krater – schauen gebannt auf die Tiere. Diese mustern sich gegenseitig. Nur eine Hyäne lässt das alles kalt. Sie macht ungerührt direkt neben einen der Jeeps. „Ich glaube nicht, dass die Löwen bald wieder angreifen. Außerdem müssen wir um 16 Uhr raus“, erklärt Edwin. Die Parkverwaltung ist sehr strikt, wenn es um die bezahlte Zeit im Krater geht.

Ein letzter Gruß aus Grzimeks Paradies

Dunst über dem Ngorongoro - ein letzter Gruß. Foto: Kathrin Schierl

Dunst über dem Ngorongoro – ein letzter Gruß. Foto: Kathrin Schierl

So heißt es Abschied nehmen. Wieder die steile Straße hinauf, der Kopf bleibt im Fahrtwind. Zwischen den Zähnen knirscht bald roter Staub, den der Jeep aufwirbelt und nach hinten ausstößt wie ein Ozeandampfer seinen Rauch. Oben angekommen, noch einmal ein Blick in den Ngorongoro. Grüne Weite, rollrasengleich. Der Lake Magadi liegt da wie ein Silbertablett, die Kraterkante spiegelt sich im salzigen Wasser. Das gleißende Sonnenlicht geht über in das warme Gelb des Spätnachmittags, und ganz langsam zieht wieder Dunst auf. Ein Bild, das sich einbrennt, und ein letzter Gruß aus Grzimeks Paradies.

Informationen:

Wache halten. Foto: Kathrin Schierl

Wache halten. Foto: Kathrin Schierl

Pauschalreise: Tansania ist individuell nur mühsam zu bereisen. Etwa Mietfahrzeuge oder der Besuch der Nationalparks ist sehr teuer und es gibt eine Vielzahl an Vorschriften, deshalb bietet sich eine Pauschalreise an. Der beschriebene Besuch im Ngorongoro-Krater fand im Rahmen einer organisierten Reise mit dem Veranstalter Studiosus statt. Neben dem Krater standen unter anderem der Serengeti-Nationalpark und die Insel Sansibar auf dem Programm. Studiosus bietet diese 16-tägige  Reise mehrmals im Jahr ab 5.595 Euro pro Person an. Im Preis enthalten sind die Anreise per Linienflug, Hotels, Vollpension, Reiseleitung alle Transfers sowie das Visum für Tansania und die Eintrittspreise in die Nationalparks. www.studiosus.com.

Anreise:  Der zum Krater nächstgelegene internationale Flughafen ist der Kilimanjaro Airport in Arusha, den etwa Qatar Airways mit Zwischenstopp Doha von München und Frankfurt aus anfliegt. Hin- und Rückflug  gibt es ab etwa 800 Euro pro Person.

Ein buntes Wirrwarr an Tieren. Foto: Kathrin Schierl

Ein buntes Wirrwarr an Tieren. Foto: Kathrin Schierl

Hoteltipp: Hotels am Krater sind rar gesät und häufig ausgebucht. Die Ngorongoro Sopa Lodge liegt direkt am Kraterrand mit einem traumhaften Ausblick. Die Übernachtung im Doppelzimmer inklusive Vollpension kostet je nach Saison zwischen 110 und 335 US-Dollar.

Literaturtipp: Tansania, Sansibar, Kilimanjaro: Reiseführer für individuelles Entdecken, Jörg Gabriel, Reise Know-How Verlag Rump; 5. Auflage, Juni 2011.

Fremdenverkehrsamt Tansania: Tanzania Tourist Board, IPS Building, 3rd Floor, P.O.Box 2485 Dar-es-Salaam,Tanzania, info@tanzaniatourism.go.tz. Es existiert keine Niederlassung in Deutschland.

Raushier-Reisemagazin